Geschichte Landfrauenverein Birwinken


60 Jahre Landfrauenverein Birwinken
 
Bei einem geselligen Sommerfest feierten wir im Juni 2022 unser 60jähriges Vereins-Jubiläum. Anlässlich dieses runden Geburtstags lässt uns ein Gründungsmitglied an ihren Erinnerungen teilhaben:
 
Das Dorfleben in den 1960er Jahren
Unser kleines Dorf ist recht lebendig, junge Familien sind ‚nachgerückt‘. Täglich treffen sich die Dorfbewohner in der Käserei; sei es, dass die Bauern die Milch bringen oder einige Bewohner welche holen. Zur Käserei gehört auch ein Dorfladen, wo man so alles für den täglichen Bedarf kaufen kann. Nur zu gerne würde man jeweils etwas stehen bleiben zu einem ‚Schwatz‘, aber meistens eilt es - zu Hause wartet die Arbeit. Aber trotz der Eile reicht es doch für den Austausch der wichtigsten Neuigkeiten. Und so ist meist jeder informiert über das was im Dorf geschieht; man weiss wie es den Leuten geht.
 
Ob wir Birwinker Frauen nicht auch das Bedürfnis hätten nach Zusammenkünften, oder gemeinsam Kurse und Vorträge zu besuchen – kommt eines Tages die Anfrage aus dem Nachbardörfchen Klarsreuti. Frau Oswald erzählt von den Zusammenkünften der dortigen Frauen jeweils im Winterhalbjahr, wo gestrickt, gesungen und erzählt wird. Diese Frauen haben nun die Idee, mit Frauen aus den umliegenden Dörfern einen Bäuerinnen- und Landfrauenverein zu gründen. Wieso eigentlich nicht! Anni Waldvogel, Hedi Iseli und weitere Frauen orientieren die anderen Frauen im Dorf und so kommt es, dass im Winter 1962 der Landfrauenverein Klarsreuti-Mattwil-Happerswil-Birwinken gegründet wird. Wir treffen uns in Mattwil im Restaurant ‚Ochsen‘ zur Gründungsversammlung, wählen Frau Rosa Oswald zur Präsidentin und aus jedem der Dörfer zwei bis drei Frauen in den Vorstand. Erstaunlich, wie darauf das Dorfleben von den Aktivitäten dieses Vereins profitieren wird!
 
Schulhauseinweihung in Mattwil, Sonntag, 4. September 1965
Wegen der anhaltend wachsenden Schülerzahl braucht Mattwil ein neues Schulhaus. Dazu kommt, dass auch die Abschlussklassen (7. und 8. Klasse) an diesem Ort geführt werden. Der Landfrauenverein hilft tatkräftig bei der Einweihungsfeier mit. Was uns Sorgen bereitete, war der längere Schulweg der Birwinker Schüler; die Strasse durch Mattwil ist stark befahren - auch durch das Postauto nach Sulgen - und nirgends gibt es Trottoirs.
 
Im neuen Schulhaus Mattwil wird 1967 ein Bazar vom Landfrauenverein organisiert.
In der Schulgemeinde wird über einen Kindergarten diskutiert und Geld dafür gesammelt. Es werden viele Handarbeiten und Gebäck verkauft. 1970 wird dann der Kindergarten eingeführt.
 
Seit der Gründung war ich Mitglied des Landfrauenvereins und wurde 1972 zu dessen Präsidentin gewählt. Das bescherte mir viele gute Kontakte in der ganzen Gemeinde und mit Hilfe guter Vorstandsfrauen durfte ich dieses Schiff während 16 Jahren führen. Dabei gab es verschiedene Aufs und Abs. Es gab Stunden, in denen ich an mir zweifelte und vieles in Frage stellte und doch konnte gemeinsam manches erreichet werden. Der Verein wuchs indem auch Frauen aus Andwil dazu kamen. So hiess er fortan Landfrauenverein Birwinken und Umgebung.
Für uns Frauen waren diese Jahre ein Erwachen! Wir bekamen das Stimmrecht, was uns vermehrt den Mut gab in der Öffentlichkeit aufzutreten. Die Frauenzentrale organisierte unter anderem Kurse für Redeschulung und Vereinsleitung welche man besuchen konnte. Da lernte man so manches: vom Erstellen der Traktandenliste bis zur Führung von Sitzungen und Versammlungen sowie das Schreiben von Protokollen. Vor der ersten Jahresversammlung bat ich den Hausarzt um ein Beruhigungsmittel. Trotz weichen Knien und heissem Kopf ging der Abend gut vorüber.
 
Die erste Vereinsreise organisierten wir in die Speiseölfabrik Sais in Horn. Sie gelang auch bei Regenwetter und war ein guter Anfang für viele Ausflüge, Besichtigungen und Operettenbesuche. Einmal nach einer herrlichen Schifffahrt im Juni 1974 von Kreuzlingen nach Schaffhausen, hatten wir Frauen noch etwas Zeit für einen Stadtbummel. Zur abgemachten Zeit vermissten wir aber auf dem Bahnhof Schaffhausen ein älteres Fräulein aus Happerswil. Wir fuhren dann ohne sie ab – aufgeregt und mit unguten Gefühlen. Auf dem Bahnhof in Kreuzlingen trafen wir sie dann wohlbehalten wieder! Sie war mit einem früheren Zug, der etwas Verspätung hatte, allein gefahren und hat sich gar nichts dabei gedacht. Anschliessend machten wir länger keine Reisen mehr mit der Eisenbahn!
 
Zu den Aufgaben des Vereins gehörte vor allem das Organisieren von Kursen. Diese wurden vom Kanton oder der Schulgemeinde finanziell unterstützt und waren ausserordentlich gut besucht. Es war, wie wenn eine grosse Lücke gefüllt werden müsste. Immer wieder waren Kurse doppelt anzubieten: Näh-, Back-, Gartenbaukurse und auch die schönen Dinge, wie Blumenschmuck oder Glasritzen kamen nicht zu kurz.
 
Schon damals machten wir Frauen uns Gedanken was den Abfall betraf. Die Wegwerfmentalität nahm ihren Anfang und die Abfallberge stiegen. Wir begannen mit dem Sammeln von Aluminium, welches jeweils mühsam erlesen werden musste. Es durften kein Eisen und auch keine Plastikteile dabei sein, also z.B. Medikamentenverteiler mussten ausgelesen werden. Für uns war es dann eine sehr grosse Erleichterung, als die Gemeinde Mitte der 80er Jahre nebst Eisen und Papier auch das Aluminium übernahm. Glas konnte schon ab 1973 abgegeben werden; die Firma Vögeli in Sulgen wurde von der Gemeinde dazu aufgeboten.
 
Anfangs 1974 sprach die Spitalfürsorgerin von Münsterlingen zu uns über das moderne Akutspital und seine sozialen Folgen. Sie erklärte uns, weshalb die Patientinnen und Patienten schon so rasch nach Hause geschickt würden und sagte auch, wie wichtig dann die weitere Pflege daheim sei. Diese Pflege war aber (auch heute noch) bei weitem nicht überall gewährleistet. Dies gab uns den Anlass in Sachen Hauspflege etwas zu unternehmen. Wir erstellten 1975 in Absprache mit der Munizipalgemeinde ein Reglement, in dem alles Nötige geregelt wurde. Über viele Jahre konnten auf diese Weise mit freiwilligen Helferinnen aus der Gemeinde gute Dienste geleistete werden – mit bescheidener Entlöhnung und wenig Bürokratie. Heute werden diese Leistungen durch Spitex und Pro Senectute bestens abgedeckt.
 
1988 war ich dann nach 16 Jahren sehr froh, dass Elisabeth Keller aus dem Guggenbühl bereit war, die Aufgaben als Präsidentin zu übernehmen. Auf Elisabeth Keller folgte 2000 Heidi Haffa aus Andwil. Sie führte den Verein bis 2012.
 
Heute, 2022, bin ich überaus erfreut, dass der Verein nach wie vor lebendig besteht. Er wird von einem guten Vorstand gemeinsam geleitet. Mit vielen Ideen und Energie versuchen sie für alle jedes Jahr ein gutes Programm zusammenzustellt.
 
‚Auszüge aus meinen Erinnerungen‘ von Dorothe Glauser, Birwinken im Juni 2022